Abesse M1, die Entdeckung eines verführerisch neuen Geschmacks?


Das glauben zumindest die Protagonisten in Florian Harms kulinarischem Kriminalroman „Versuchung“. Eine fesselnde Fiktion, die Einblicke hinter die Kulissen der Aromaforschung und Interessen der Lebensmittelindustrie gibt. Es geht um den Milliarden-Markt der legalen Sucht und um das ominöse Verschwinden eines Aroma-Agenten, der dem Ziel zu nahe gekommen zu sein scheint. Die Handlungsstränge verlaufen zunächst parallel an unterschiedlichen Orten in der Schweiz, Deutschland und … in den Küchen des Orients. Jener sagenumwobene Kulturkreis, der schon gepflegt tafelte als im Europa nördlich der Alpen noch ungewürztes Fleisch am Lagerfeuer gekaut wurde. Ein mysteriöser Rohstoff aus dem Orient scheint in dieser Fiktion nicht nur für guten Geschmack zu sorgen, sondern auch
der Schlüssel für „Next Level Temptation“ zu sein. Diese Story könnte man auch als eine Symbiose aus dem Trend Tasting mit Wirtschaftskrimi verstehen, gewürzt mit orientalischen Aromen.

Buchbesprechung

Florian Harms widmet sich in „Versuchung“ seinem Lieblingsthema: Nach dem Textbildband „Kulinarisches Arabien“ verschlägt es ihn thematisch wieder in die Küche des Orients. Traditionen und Gebräuche insbesondere der mystische Aspekt der orientalischen Esskultur geben der Story den Rahmen. Die lukullische und gefährliche Reise der Hauptdartseller führt zunächst nach Marokko, dann über Tunesien nach Libyen und Syrien. Die Orient-Kundigen unter den Lesern fühlen sich mittendrin, alle anderen sind dabei und bekommen einen Einblick in die facettenreiche Kochkunst des Orients.

Der Autor beschreibt Landschaften, Menschen und Speisen/Duft/Geschmack so detailliert, dass der Leser sich gedanklich mühelos in diese Szenerie beamen kann. Wer die orientalische Kultur und die darin beschriebenen Orte einmal kennenlernen durfte (so wie ich hier) legt Harms Kriminalroman erst recht nicht mehr aus der Hand. Und zwar solange bis die Buchstaben vor den Augen verschwimmen, während aber gleichzeitig der Film vor dem inneren Auge weiterläuft,… Erinnerungen erwachen. Im Kontrast dazu kann seine Bildsprache auch sehr subtil und indirekt sein. Manchmal lässt er den Leser über Dinge zunächst vermuten um zeitverzögert ein Schmunzeln zu provozieren. Es handelt sich hierbei um Situationen der Akteure, die ungeschehen entweder besser gewesen wären oder worüber üblicherweise eigentlich niemand spricht. Seine Story hat neben der Perma-Spannung, wie sie jeder gute Kriminalroman haben sollte, auch den lehrreichen Nebeneffekt sehr viel über Geschmack, Geruchssinn und die Wissenschaft dahinter zu erfahren. Der schweizer Ermittler Calanda, einer der Akteure, ist nämlich mit solcher Sachkenntnis ziemlich unbefleckt. Um das riesige Puzzle innerhalb der vorgegebenen Frist von drei Monaten für seinen Auftraggeber, die Lebensmittelindustrie bzw. Aromenhersteller, zusammenzufügen, muss Calanda sich auch in die Rätsel der Geschmackswelt hineinfuchsen. Es geht schließlich um die „Versuchung“, welche potentiell zu legaler Sucht führen kann. Ein Milliarden-Business umsatzmäßig vergleichbar mit legalen Drogen, aber eben wahrscheinlich nicht gesundheitsschädlich!

Das größte Geheimnis der Welt. Wer es kennt, beherrscht die Menschen – und die Liebe.«

Zitat aus dem Roman

Der rote Faden zieht sich durch alle parallel verlaufenden Handlungsstränge. Die Hochspannung dieses Wirtschaftskrimis besteht darin, wie und wann die vielen Fäden letztendlich zusammen verwoben werden. Der Leser ist gefordert sich auch an scheinbar nebensächliche Situationen zu erinnern um die „Mission“ der Nebendarsteller zu gegebenem Zeitpunkt bzw. im Nachhinein verstehen zu können. Bis dahin stellt man sich oft die Frage, ob der Zufall oder eine gezielte Manipulation die Hauptdarsteller dahin geführt hat, wo sie gerade agieren bzw was sie während ihrer Reise erleben (müssen). Ganz nebenbei bekommen die Orient-Fans unter den Lesern dann auch wieder eben jenen spezifischen Geruch in ihre Nase, z.B. den der Souks der Gewürzhändler von Marrakech oder den verführerischen Duft einer Tajin, irgendwo gegessen in Fès. Die Jagd nach dem geheimnisvollen Geschmack, dem verschwundenen Aroma-Agenten und zu guter Letzt des Rätsels Lösung, …. bleibt unerträglich spannend bis zum Finale.

Anmerkung: Tatsächlich ist es genau diese Suchmission (Quest), welche die Lebensmittelbranche und natürlich auch die ambitionierten Köche seit jeher umtreibt, … so wie ich hier in meinem Blog meine Geschmackswelt „Freihändig Kochen“ versuche zu veranschaulichen.

Gewürze in den Souks von Marrakech
Legendäres Schnecken-Gericht angeboten auf dem Djemaa el Fna in Marrakech
Ohne wenn und aber: Schaffleisch hat am marokkanischen Nationalfeiertag in jedem Haus Tradition

Über den Autor und seinen Verleger

Florian Harms, studierte Islamwissenschaft und Politikwissenschaft in Freiburg i. Br. und in Damaskus, danach Volontariat in Zürich. Seit 2006 ist er für renommierte Online Redaktionen tätig, seit 2017 ist er Chefredakteur sowie Geschäftsführer von Ströer News Publishing. Vermutlich konzipiert als Herzensangelegenheit veröffentlichte er zusammen mit dem Fotografen Lutz Jäkel im Jahr 2011 den Textbildband „Kulinarisches Arabien“ in der er sich als Kenner der orientalischen Küche profiliert.

Die Authentizität seines Textbildbands und sein Studienaufenthalt in Damaskus waren für mich Motivation seinen Kriminalroman zu lesen und zu rezensieren.

Ausserdem: Sein Buch ist im Benevento Verlag erschienen, der wie der Kultursender ServusTV zur Red Bull Media House GmbH gehört, eine Tochtergesellschaft der international berühmt berüchtigten Energy Drink Marke Red Bull. Hier schließt sich somit der Kreis hinsichtlich Milliarden-Business im Lebensmittelsektor. Das Sponsoring der Red Bull GmbH ist bekannt für aussergewöhnliche wie hochwertige Events in Sport und Kultur. Noch Fragen? 😉

  • Autor: Florian Harms
  • Titel: Versuchung
  • Hardcover, 440 Seiten (!)
  • ISBN 978-3710900570
  • Verlag: Benevento
  • Seit 21. Feb im Handel
  • € 20,00

Fazit

Es ist seit Jahrzehnten der erste Kriminalroman der mich gefesselt hat. Ok, normalerweise habe ich keine Zeit Krimis zu lesen, da sie mir persönlich ausser Spannung nichts bieten. Dieser Krimi hat für Foodies einen Mehrwert, da es tatsächlich wie eingangs erwähnt ein Wirtschaftskrimi aus der Foodbranche ist, der so durchaus real ablaufen könnte. (Lebensmittelskandale der Vergangenheit lassen grüßen 😉 ). Es geht in dieser spannenden Kriminalstory “ Versuchung “ um das ganz große Ding, nicht einfach um den „guten Geschmack“ zu optimieren. Die Suchmission als Obsession nach dem perfekten Geschmack oder einer neuen Zutat. Food-Hunting Fiktion mit authentischen Akteuren und Nebendarstellern. Vermutlich hatte der Autor Florian Harms die Idee seine Sachkenntnisse aus der orientalischen Küche und der Islamwissenschaft zu seinem Herzensprojekt „kulinarischer Kriminalroman“ verschmelzen zu lassen, um eben auch die Schattenseiten des Food-Business darzustellen. Das ist ihm mit seinem ersten (!) Roman auch stilistisch sehr gut gelungen. Zudem versteht er es als ausgebildeter Journalist komplexe Fakten und die Zusammenhänge der Sensorik und der Aromaforschung so herunterzubrechen, dass sie auch für Laien verständlich werden.

Lesenswert für alle Krimifans und vor allem Foodies, die verstehen wollen wie die Foodbranche ticken kann wenn es um „alles“ geht. Lesen und Bescheid wissen!

Legendäre Tajin: Zitronenhühnchen mit Oliven
Kasbah Ruine

Abschließend möchte ich mich ausdrücklich bei der Agentur Literaturtest aus Berlin bedanken, dass sie mich seit Jahren auf zahlreiche interessante Publikationen aufmerksam gemacht hat. Bisher war es so, dass ich erst einmal zu einem zugeschickten Buch keine Rezension verfasst habe, da es mich nicht 100 % überzeugt oder inspiriert hat.


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