Stevia, quo vadis?


Der Begriff „natürlich“ ist in der Werbewelt sehr begehrt. Schließlich erweckt dieser  in einer scheinbar „unnatürlichen“ Welt die Hoffnung auf weitgehend unbehandelte Lebensmittel. Wie Sie als kritischer Kulinariker  wahrscheinlich bemerkt haben, ist dem aber im Falle von Stevia nicht wirklich so. Die Pflanze darf aus protektionistischen Gründen für die Verwendung in Lebensmitteln nicht importiert bzw. in der EU angebaut werden und somit ist das neue angepriesene  „Wundersüßungsmittel“ nur ein „künstliches“ Derivat (Steviolglycosid E 960), – gewonnen aus eben solchen Pflanzen.

Die derzeit modischen Marketing Auslobungen wie „nachhaltig, frisch, regional“ sind  rechtlich noch nicht definiert (Stand Aug 2013). Für den Begriff „Natürlich“ gibt es inzwischen eine rechtliche Definition in der sogenannten Claims Verordnung, für E 960 trifft sie demnach eindeutig nicht zu. Zudem geht man bisher davon aus, dass ohnehin nur ca. 1/3 des Zuckers in einem Produkt durch Stevioglycoside ersetzt werden können,- wegen des bitteren lakritzartigen Beigeschmacks.

stevia rebaudiana
stevia rebaudiana

In einigen Internetforen und Foodblogs wird das Thema kontrovers diskutiert und einzelne große Konzerne teilweise an den Pranger gestellt wegen „Profitgier, Protektionismus und Verbraucherverblendung“. Nicht jeder Hersteller, der Stevia gesüßte Produkte auf den Markt bringen möchte, ist oder war sich  diesen Makels bewußt. Im Sinne von Nachhaltigkeit, Natürlichkeit, Frische und Regional sind Stevioglycoside (E960) wohl eher schwierig vermittelbar – zumindest bei den aufgeklärten Verbrauchern und Foodies. In der Marketingsprache wird es vorsichtig formuliert indem die  „Natürlichkeit“ des Produkts indirekt  beworben wird :

„Die traditionelle Pflanze Stevia gilt als natürliches Süßungsmittel.“

Die Bezeichnung „Stevia“ erscheint bisher auf dem Label plakativ.  Nach einem Gerichtsurteil des Landgericht Konstanz darf das Stevia-Blatt auf der Verpackung nicht mehr abgebildet werden. Demnach hat das in einem aufwendigen Verfahren hergestellte Derivat E 960 nichts mehr mit der ursprünglichen Pflanze zu tun (Az.: 7O 32/12 KfH). Die Entscheidung ist nachvollziehbar – zumindest hinsichtlich Verbraucherschutz.  Sollte diese verbraucherfreundliche Auffassung sich durchsetzen, wird Stevia für seinen US-Hersteller Cargill wohl ein Mega-Flop innerhalb der EU werden.

Der erste Stevia-gesüßte Joghurt von Danone „Danvia“ (mit Stevia Blatt Abbildung) ist auch schon wieder vom deutschen Markt verschwunden. Offensichtlich schmeckte er nicht wirklich gut und an die vermeintliche „kalorienreduzierte Natürlichkeit“ wollte da keiner glauben? Große US Brauseunternehmen hielten sich aufgrund der rechtlichen Unsicherheit mit der Einführung solcher Produkte  zurück, eine kleine deutsche Szene-Brausemarke bewirbt ihr Getränk vorsichtig mit dem Begriff „Stevia“ genauso wie ein großer Konfitürenhersteller aus A. Sind wir gespannt wie sich die neue Süße mit oder ohne „natürlichen“ Blatt-Abbildung schlägt nach dem jüngsten Gerichtsurteil im Frühjahr 2013. Kenner die nicht auf Stevia verzichten wollen, süßen sich Ihre Getränke oder Desserts auf natürliche Weise: mit gemahlenen natürlichen Steviablättern. Diese gibt es allerdings offiziell nur als „Badezusatz, nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen“ zu kaufen. Verkehrte Welt, in anderen Kulturkreisen wird sie auch als Heilmittel genutzt …


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