Tschörmän Gemütlischkait weltwait
Alljährlich, – beginnend so ein paar Wochen vor dem Start der Oktoberfest-Saison -, bewegt sich die Alpenländische Küche wieder ins Zentrum der Kulinarik. Seit Jahren entwickelt sie sich zu einem weltweiten saisonalen Phänomen, bei dem vor allem die alpenländisch Bayrische Küche im Ausland fälschlicherweise zum Klischée der Deutschen Küche mutierte. Neben der Münchner Wiesn prosten auch in USA, China und Brasilien vergleichbar gigantische Menschenmengen stilsicher im Modus „German Gemütlischkait“.

Avanciert zu solch einem Exportschlager, verwundert es nicht, dass der Mythos des größten deutschen Volksfests seit Jahren sogar eher bei ausländischen als bei boarischen Besuchern für zünftige Glückseligkeit sorgt. Powered by Bavarian Food, Blasmusik und by Maßbier, stets extrem. Zudem springen aktuell in deutschsprachigen Werbeprospekten die relevanten stereotypen Klamotten, Deko-Artikel und Speisen deutlich hervor.

Brot und Spiele
Das alles hat seinen guten Grund: Offensichtlich wird das Oktoberfest neben Karneval/Fasching/Fasnacht als emotionaler Druckablass in unruhigen Zeiten wie diesen umso mehr geschätzt und gepusht, … „Brot und Spiele“ eben. So konnte das Fest aller Feste sich mit allem Drumherum zu einem so ziemlich globalen Wirtschaftsfaktor entwickeln. Eine Superlative unserer Zeit, seltsam faszinierend in seiner Art! So steht die festliche Ausgelassenheit einerseits voll krass im Gegensatz zum Image der spaßbefreiten Mentalität der Deutschen. (Update 2016) Andererseits bestätigte der kommerzielle Erfolg dieser teils ungehemmten Volksbespaßung das ohnehin positive Image deutscher Exportgüter. Zumindest so lange, bis Dieselgate noch niemand kommen sah.
Das Oktoberfest ist ganz klar „Made in Germany“. Dadurch bekommt dieses internationale Gütesiegel auch ein Gesicht mit „bierernstem“ Anspruch und/oder Ausdruck, … zumindest in regelmäßigem Turnus. Nun ja, auch deutsche Medaillen haben zwei Seiten, nicht erst seit der deutsche Dieselmotor „böse“ ist.

Die Kultur der Alpenländischen Küche
Nun gut, genug der Fakten und meines philosophisch anmutenden Geschwurbels. Folgend ein paar kulinarische Details der Alpenländischen Küche in Blick auf Österreich und die Schweiz. Durch die multinationalen und unterschiedlich kulturellen Ausprägungen des Alpenländischen Raums ist eine erstaunlich facettenreiche Küche entstanden, die weit über Almhütten-Imbiss hinausgeht. Trotzdem haben natürlich auch die teils unwirtlichen klimatischen Bedingungen in den Hochlagen dazu beigetragen, dass der Brennwert traditioneller (fett- und proteinreicher) „Alpenkost“ weit über dem eines thailändischen Gemüse-Woks liegt. Die Lebensbedingungen in den Bergen widersprechen nun mal leichter Kost.
Österreich
Die alpenländische Küche Österreichs ist heute ein beachtliches kulinarisches Gemisch, entstanden durch die nationale Vielfalt der kaiser- und königlichen Monarchie. Das Habsburgerreich umfasste einst Österreich und Ungarn mit über 50 Millionen Menschen und rund einem Dutzend verschiedener Küchen. Einflüsse aus den einzelnen Regionen sowie den umliegenden Gebieten Böhmen und Mähren, aber auch Rumänien, Slowenien, Kroatien, Serbien und Dalmatien bestimmen die Küche, wurden teils übernommen und verfeinert. Die Klassiker der österreichischen Küche entwickelten sich meistens in Wien und kommen heute in der ganzen Welt zur Anwendung. Abgerundet werden die Gaumenfreuden durch regionale Weine, die sich international messen lassen können. Weltklasse-Niveau und eigenständige Lebenskultur findet man ebenso in den Wiener Kaffeehäusern, die oft auch architektonische Aufmerksamkeit verdienen. Dort pflegt man die Gemütlichkeit der Begegnung und genießt seinen Kaffee mit einem Stück der berühmten Sacher- oder der Linzer Torte. Kapuziner, Einspänner, Melange und Pharisäer sind nur einige der ca. 30 Grundvarianten der österreichischen Kaffeespezialitäten.

Österreich hat wie auch andere europäischen Länder in den letzten Jahren viele prominente Köche hervorgebracht. (Update 2016) Überregional bekannte Stars sind:
- Johanna Maier, Sterne-Köchin, Autorin des Kochbuchs „Johanna Maier“ (Zitat: Kochen ist nie zu Ende)
- Sarah Wiener, TV Köchin, „Die kulinarischen Abenteuer der S. Wiener in … Arte-Produktion
- Johann Lafer, TV Küchen-Hans-Dampf, „Botschafter für fast alles Essbare“
- Norbert Niederkofler, int. Projekt Bergküche und -Kultur, „Cook the Mountains“
- Christian Petz, Bilderbuchkarriere am Herd
- Wolfgang Puck, „Oscar Caterer“ in Hollywood

Schweiz
Wie man es von einem Land mit vier Amtssprachen erwartet, ist die Küche der Schweiz von verschiedenartigen Kochkünsten und Kulturen beeinflusst, und zwar vorwiegend von der deutschen, französischen und norditalienischen Küche. Begünstigt durch seine vielen (traditionellen) Luxusherbergen, die größtenteils schon im 19. Jahrhundert als „Grand Hotel“ entstanden, hat der kleine Alpenstaat viele renommierte Köche hervorgebracht.
Zu den bekanntesten Star-Köchen zählen dabei (Update 2016):
- Stefan Wiesner, Sterne-Landhausküche im Rössli in Escholzmatt-Marbach
- Andreas Caminada, Sternekoch in seinem Schlossrestaurant Schauenstein
- Daniel Bumann, Sternekoch in seinem Fine Dining Restaurant Chesa Pirani
- Thuri Maag, Sterne-Koch, Autor der Kochbücher „Espumas“, „Das große Buch der Pilzküche“
- Martin Surbeck, Sterne-Koch in seinem Restaurant „Sein“ in Zürich
- Jean-Maurice Joris, Schweizer Koch des Jahres 2003
- Philippe Chevrier, Inhaber eines der berühmten Relais & Chateaux (Hotel/Restaurant)
- Andreas Studer, TV Koch für den ich vor Jahren ein Fingerfood Catering in der Galerie Mensing in Konstanz zubereitete „PopArt meets KochArt“
- Tanja Grandits, Autorin des Kochbuchs „Aroma pur, meine fröhliche Weltküche“
- Meta Hiltebrand, sehr innovative junge Köchin in ihrem Restaurant „Le Chef“, Zürich
Hinsichtlich Nachhaltigkeit und dem Pro-Kopf-Absatz von Bioprodukten sei abschließend bemerkt, dass die Schweizer und Österreichische Agrarwirtschaft neben der dänischen sich als eine der fortschrittlichsten profiliert.

Klassiker, neu-interpretierte Rezepte, Zutaten und Speisen
Die Leserschaft die sich für die spezifischen Zutaten und Speisen der Alpenländischen Küche dieser beiden Nationen interessiert, findet in Teil 2 dieser Serie ein ungeahnt breites Spektrum der Kulinarik in gebündelter Form präsentiert.
Abschließend in Teil 3 mein neu-interpretiertes alpenländisches Rezept a la Freihändig Kochen. „Tafelspitz a la Glacier“ und die Geschichte dazu hier
Zudem finden sich klassische Schmankerl z.B. in saisonal orientierten Rezeptmagazinen wie „Lust auf Genuss“ oder in diesem Alpenländische Rezepte e-book
5 Antworten zu “Alpenländische Küche (I): Fakten, Rezepte und das Phänomen Oktoberfest!”
Bravo, bravo!
Die Tschörmän Gemütlischkait gibt es (leider) auch hier in Thailand: im «Bavaria» oder im «Biergarten» inklusive (für Thais) rascher Besäufniskait…
Ich selbst meide diese Etablissemangs tunlichst.
Bin gespannt auf deine weiteren Ausführungen,
FEL!X
Hallo Felix
Ja, … wahrscheinlich präsentiert sich dieser deutsche Exportschlager im Ausland in einer für uns Deutsche ganz seltsamen Dimension 😉
Gruß nach Thailand
Stephan
Ja, das gilt auch für andere Themen, gibt z. B. auch in Indien „deutsche Bäckereien“, die allerdings nicht so ganz deutsche Backwaren anbieten und für uns eher sehr seltsam erscheinen.
Bawarien Fuud in Thailand?? Jo rrrriesig!
Ja, leckere Schwoinshaxn von Mai-Lin am Strand von Kho Samui 😉