Dieses Stollen-Rezept entstand konzeptionell als Integration von übriggebliebenen Zutaten, die sich so über die Zeit im Schrank angesammelt haben. Der vergleichsweise hohe Anteil von speziellen Gewürzen, „harten“ Nüssen und Trockenfrüchten ist schwierig in die Masse einzuarbeiten und kritisch für den Backprozeß. Was derzeit in Politik und Gesellschaft noch nicht funktioniert, hält in diesem Stollen trotzdem lecker zusammen.
Warme Gewürze und Gedanken
Ein mächtig würziger Kuchen, der in der kalten Jahreszeit warme Gedanken initiiert (4i!) und Seelen zusammenhält. Vier Gewürze sorgen in diesem Früchte-Nuss-Stollen in der kalten Jahreszeit für Wärme : Kardamom, Nelken, Vanille, Muskat. Die verwendeten Gewürze wachsen dort, wo Menschen sich meist keine „warmen“ Gedanken machen (brauchen), z.B. im subtropischen Indien, Südostasien. Und damit nahrhafter Kuchen wie dieser sogar auch außerhalb der zimtlastigen Adventszeit schmeckt, bleibt Zimt hier in diesem Kuchenrezepte draußen vor, also ohne klassisches Lebkuchengewürz! Dieses Rezept ist in Anlehnung an ein „Brigitte-Rezept“entstanden. Ich habe es freihändig variieren müssen, zwecks Integration von übrig gebliebenen Backzutaten in ein Geschmackserlebnis. Ja genau, …Backzutaten, die sich im Lauf der Zeit im Küchenschrank nun mal so ansammeln. Somit ist dieser Artikel auch ein Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung! Und so nebenbei zeigt dieses Kuchenrezept, wie der innere Zusammenhalt mit vielen unterschiedlichen Zutaten trotzdem funktioniert, (Achtung jetzt im nächsten Absatz kommt Text–Update Dez 2016 !)
Leftover Backzutaten aufwerten
Wichtig bei solchen „freihändig backen“ Sessions ist allerdings, dass Mutti die im original Backrezept angegebenen Basiszutaten von Mehl, Zucker, Hefe, Butter und Eiern ersteinmal mengenmäßig korrekt vereint. Sonst stimmt das Verhältnis zueinander nicht, es fehlt der „innere Zusammenhalt“. Das große Ganze würde dann einfach im Ofen auseinanderfallen wie einst die FDP im Bundestag, … oder wie eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Denn in diesem Kuchenrezept ist die komplexe Integration von speziellen Gewürzen, „harten“ Nüssen und zähen Trockenfrüchten schwierig, weil anteilmäßig gefühlt hoch. So wie derzeit die weltweite Gemengelage, gefühlt kompliziert.
Nun denn, zurück zum Küchenschrank. Einige Trocken-Zutaten haben über Monate als „Überbleibsel“ und „abgehängt“ planlos in meiner Küchenwelt Platz eingenommen. Diese kunterbunte Mischung musste jetzt vor drohendem Verfall bewahrt werden, d.h. allesamt irgendwie integriert in einem Stollen miteinander verbunden werden. Sinnvoll nach Plan, … versteht sich. Und das kam dabei rum: Nahrhaft und lecker weil facettenreiche Aromen angenehm überraschend dem Gaumen Gutes tun.

Geschmacksprofil
Der aromatische Schokoladenmantel suggeriert mit seinen Nüssen viel Gutes und vor allem warme Gedanken. Diese übrig gebliebenen Zutaten schmecken jetzt in dieser orientalisch anmutenden Konstellation aber alles andere als hart und trocken. Sowas von saftig-fruchtig, hier und da auch bissig-nussige Aspekte die ernsthaft wahrgenommen werden. Schokostücke im Inneren des orientalischen Stollen Kuchen lösen das Versprechen auf ein Geschmackserlebnis tatsächlich ein! Ein echter Charmeur, der auf meiner Netzhaut wie auch am Gaumen überzeugend wirkt. Mit seinem würzig sinnlichen Charakter mobilisiert er die Freuden des guten Geschmacks. Woow, ein harmonisches Gesamtkonzept, das wirklich ansprechend ist. Was in Gesellschaft und Politik noch nicht funktionieren mag, ist hier im Verbund angenehm wohltuend. So wie man es eben nicht nur von Kuchen erwartet 😉
Orientalischer Winterkuchen bzw. Früchte-Nuss-Stollen
- 100 g Trockenfrüchte, die man findet (z.B. Datteln, Backpflaumen, Aprikosen, Feigen, Cranberries, Rosinen wer sie mag)
- 4 cl weißer Rum
- 1 Bio-Orange, davon Saft und Schalenabrieb
- 100 g dunkle Schokolade (mind. 70% Kakao)
- 250 g Nüsse, was man so findet (z.B. Mandeln, Walnüsse, Pistazien, Haselnüsse, aber keine Kokosraspel)
- 100 g Butterschmalz
- 60 g andalusisches Olivenöl (kann auch mit Butterschmalz ersetzt werden)
- 350 g Mehl Typ 550
- 25 g Hefe
- 75 g Zucker oder Rohrzucker
- 1 TL gemahlene Vanilleschoten (oder Päckchen Vanillin zur Not)
- Prise Salz
- 1 TL gemahlener Kardamom
- 1/2 TL gemörserte oder gemahlene Nelken
- 1/3 TL Muskatnuss, frisch gerieben
- 2 Eier
- 75 ml Milch
- 125 g dunkle Kuchenglasur vermischt mit 80 g dunkler Schokolade
- 30 g Pistazien zum Bestreuen des Schokoladenmantels
Resteverwertung in der Backstube
Trockenfrüchte gegebenenfalls klein würfeln, mit Orangenabrieb, Orangensaft und Rum vermischen und über Nacht einweichen lassen. Schokolade und Nüsse grob hacken. Wer noch Marzipan im Kühlschrank findet, kann diesen zu 100 g in die Kuchenmasse untermischen …
Basis-Teig
Aus dem Mehl, Zucker, Salz und Gewürzen eine Trockenmischung herstellen. Butterschmalz schmelzen. Hefe in warmer Milch auflösen und diese zusammen mit dem Butterschmalz in die Trockenmischung geben und verkneten. Eier unterrühren, Teig ordentlich verkneten und drei Stunden zugedeckt in der Nähe von Heizung aufgehen lassen.
Zubereitung Stollen
Der Prozess als solcher ist hingegen wenig einfühlsam. Wie eine Große Koalition wird der Basis-Teig zunächst zu einem Einerlei auf Linie zurecht geknetet. Eingeweichte Früchte, gehackte Nüsse und Schokoladenstückchen nach und nach miteinander vermengen und mit Nachdruck bearbeiten. Dabei achtet nicht nur Mutti darauf, dass keine Zutat „vorlaut“ aus dem Rahmen bzw. aus der Teigmasse fällt. Ein Cluster von Früchten oder Nüssen in einem Kuchenstück schmeckt nicht wirklich ausgewogen und ist für die Stabilität des Kuchens nicht förderlich. Damit die Aromen sich irgendwie vereinigen können, geht die „koalierte“ Kuchenmasse nochmals für 2 Stunden in Klausur, d.h. zugedeckt für sich wirken und ruhen lassen. Anschließend den Teig zu einem Brotlaib formen und im vorgeheizten Ofen bei 160°C Umluft während 20 Minuten backen. Backtemperatur auf 140°C Umluft reduzieren und weitere 30 – 35 Minuten hellbraun backen.
Den Kuchenlaib abkühlen lassen und ihn dann mit einer Mischung aus geschmolzener Kuchenglasur und dunkler Schokolade großzügig wie Steuergeschenke einpinseln. Ein paar gehackte Pistazien auf den noch warmen Schokomantel streuen, es verleiht dem Ganzen einen grünen Touch der in diesem Fall gut mit den anderen Zutaten harmoniert. Den orientalischen Winterkuchen bzw. Stollen vollständig auskühlen lassen und tatsächlich eine Woche lang seinen Verlockungen widerstehen. Vor dem Genuss muss er nämlich fest in Alufolie eingepackt durchziehen um sein volles Aromaprofil entfalten zu können. Danach gibt es aber kein Halten mehr, man wird süchtig davon wie die Börsianer nach zinsbefreitem Geld der Notenbanken… once bitten, twice addicted, yummie yumm!
Fazit
(TextUpdate Dez 2016 ) Nun Ja, … Zurechtkneten kann man Kuchenteig. Im richtigen Leben funktioniert diese Technik offensichtlich nicht nachhaltig. Verbinden statt Zurechtkneten wahrscheinlich eher. Besser ist das, für den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
5 Antworten zu “Früchtekuchen oder Wie der innere Zusammenhalt funktioniert”
Hehe, sehr gut geschrieben und klingt vor allem lecker 😉
Ja klingt verlockend wie ein Wahlversprechen! Und schmeckt tatsächlich wie 1000undeine Nacht im marokkanischen Palmenhain 😉 , versprochen!
von Deinen Cantuccini bin ich nun hier gelandet, beim Früchtebrot. Das scheint mir wohnmobillküchenkompatibler und wurde gleich mal gespeichert.
Datteln finden… lustig. Das tu ich grad im wahrsten Sinn in der Dattelpalmenoase nebenan. Soviele Früchte können sie hier gar nicht verarbeiten.
Viele Grüße aus Marokko,
Doreen
Ja, so ist es. Marokko das Land für Liebhaber von Trockenfrüchten, Minzetee und Tajine 🙂
„Wohnmobilküchenkompatibel“ welch schöne Wortschöpfung, hihi
Gruß vom stark vernebeltem Bodensee
Stephan
Ich glaube man sollte so einen Früchtekuchen nach Berlin schicken. Adventskaffeekränzchen mit ‚Ernst-Engel‘ Gabriel…, Mutti, Herrn Hofer vom See und der ganzen anderen vogeligen Schar.